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Channel: Bond and Beyond
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Keine Sternstunde für das Empire

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"Verrat an den Kosaken bei Lienz" (Sergej Korolkoff)
Vor sechzig Jahren ereignete sich die Lienzer Kosakentragödie, bei der die Briten über 20.000 Kosaken samt Familien nahe des österreichischen Lienz durch Verrat an die stalinistische Sowjetunion auslieferten und damit den grausamen Tod von Männern, Frauen und Kindern ermöglichten. Ein wenig bekanntes Kapitel des zweiten Weltkriegs, das ausgerechnet durch einen James-Bond-Blockbuster erstmalig filmisch thematisiert wurde und damit Eingang in die Populärkultur fand: Im 17. von Eon produzierten Bond-Abenteuer GOLDENEYE entpuppt sich der Gegenspieler als Sohn eines Lienzer Kosaken, der nach dem Verrat kollektiven Selbstmord beging. Ein Schicksal, das es so tatsächlich mehrfach gab.




In der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde vereinbart, dass alle sich in westalliiertem Gewahrsam befindlichen Sowjetbürger an die Sowjetunion "repatriiert" werden sollten. Die Kosaken hatten auf Seiten der Deutschen gegen Stalin gekämpft, aber sie waren gemäß dem britischen Historiker Nicholas Bethell eigentlich gar als zu Repatriierende gemäß Jalta-Abkommen zu zählen, da sie Russland bereits um 1920 herum verlassen hatten. Bethell schreibt in seinem Buch "The Last Secret", dass sie den Briten lästig waren, weil sie ihrem Verbündeten so gefällig wie möglich sein wollten.

Die Briten entwaffneten die Kosaken mit der Lüge, dass sie für ihre Waffen keine Munition hätten. Anschließend wurden sie gewaltsam auf Lkw's und Eisenbahnwaggons getrieben und der Roten Armee ausgeliefert. Auf diesen Verrat hin spielten sich erschütternde Szenen ab. Flüchtlinge wurden von den Briten erschossen. Angesichts der zu erwartenden Vergeltung des Stalin-Regimes nahmen sich zahlreiche Offiziere samt ihrem Familien das Leben. Die Überlebenden wurden dann größtenteils tatsächlich von Exekutionskommandos hingerichtet.

Auch wenn man von einer Schuld der Kosaken-Offiziere ausgeht, da sie auf Seiten der Deutschen kämpften, nahmen die Briten unter Churchill hier aus reinem politischen Kalkül den grausamen Tod von tausenden Frauen und Kindern in Kauf. Ihr Verbündeter und Partner Stalin hatte sich zu diesem Zeitpunkt ebenso wie Hitler längst als massenmordender Psychopath entpuppt. Der in GOLDENEYE vom ehemaligen KGB-Agenten Zukovsky angefügte beschwichtigende Satz "Skrupellose Menschen, die verdient haben, was sie bekamen" trifft nicht auf Kinder zu. Es sei denn, man stimmt der stalinistischen Sippenhaftung zu.

Obwohl GOLDENEYE oft der Vorwurf eines zu glatten und steifen Blockbusters trifft, muss man sagen, dass man hier zum ersten Mal den Mut hatte, Bond mit den zahlreichen, wenig glorreichen Episoden des Empires zu konfrontieren. Bonds Reaktion "Nicht gerade eine unserer Sternstunden" zeigt eine Selbstreflexion, die man sich offenbar erst nach Ende des Kalten Krieges leisten konnte.

Leider ist der Hintergrund von Trevelyan nicht ganz schlüssig. Ursprünglich sollte er wesentlich älter und ein früherer Mentor von Bond sein. Es wäre glaubwürdiger und wirksamer gewesen, wenn Trevelyan das Massaker an der Drau als Kind selbst miterlebt hätte, und damit auch die Beteiligung der britischen Soldaten. Sean Bean ist allerdings erst 1959 geboren, 14 Jahre später. Deshalb deichselte man es so, dass Trevelyans Eltern Stalins Exekutionskommando überlebten, der Vater sich dann aber später aus Scham zusammen mit seiner Frau umbrachte. Wobei fragt man sich schon fragt, wieso Trevelyan dann nicht wenigstens einen der Satelliten über Moskau zündet.

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