"When you got a job to do you got to do it well,
You got to give the other fella hell."
(Live and let die, Paul McCartney & Wings)
Bond-Marathon #8: LIVE AND LET DIE (1973)
Immer wieder einmal gibt es Bondfilme, die stärker als andere in die Populärkultur einfließen und jugendliche Zuschauer eindringlicher prägten. LIVEAND LET DIE ist einer davon. Sowohl für Daniel Craig als auch Regisseur Sam Mendes war es beispielsweise der erste Bond im Kino, was man in der Vortitelsequenz von SPECTRE deutlich spürt. Aber auch in der Kommodo-Waran-Szene in SKYFALL.
Der Film hat nicht nur einen zum Meme gewordenen Titel - der ein berühmtes Zitat aus Schillers Wallensteins Lager variiert - und einen grandiosen Titelsong dazu, sondern auch eine einzigartige Atmosphäre und zahlreiche ikonische Einfälle, Stunts und Figuren.
LIVE AND LET DIE kulinarisch
"Two Sazeracs! Where is your sense of adventure, James? This is New Orleans, relax!"
LIVEAND LET DIE ist mal wieder einer der Bondfilme, die jenseits von Champagner, Wodka Martini oder Bourbon auf die lukullischen Besonderheiten der jeweiligen Handlungs-Orte eingehen. Hier in Form des Sazerac, seit 2008 der offizielle Cocktail von New Orleans. Schön ist, dass Bond hier von Felix Leiter selbst daran erinnert wird, auf diesem Gebiet etwas offener zu sein. Doch in den Genuss des Drinks lässt ihn Mr. Big trotzdem nicht kommen.
Der Sazerac geht zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich wurde er mit aus Frankreich importierten Cognac zubereitet. Nachdem Rebläuse zahlreiche Weinernten in Frankreich reduziert hatten, verwendete man stattdessen Roggen-Whiskey. Unverzichtbar ist dagegen Peychaud's Bitter, benannt nach dem in New Orleans ansässigen Apotheker Antoine Peychaud. Aus der kleinen Bar, in der der Drink kreiert wurde, wurde die Sazerac Company, die heute noch den Sazerac Rye Whiskey herstellt. Die Variante mit Cognac ist allerdings die etwas weniger aufwändigere, und tröstlicherweise noch dazu die ursprünglichere. Hinzu kommen Absinth, ein Zuckerwürfel sowie eine Zitronenzeste. Hier das Rezept.
Im Vorfeld: Auf welche Elemente freue ich mich? Auf welche nicht?
Der Film hat wie schon erwähnt zahlreiche attraktive Elemente, die ich immer wieder gern sehe. Im Marathon war es einer der Filme, auf die ich mich besonders gefreut habe.
Bewertungen:
Einführungssequenz / Vortitelsequenz: 11/15
Eine Vortitelsequenz, in der James Bond selbst gar nicht vorkommt, ist heute gar nicht mehr denkbar. Umso erstaunlicher ist, wie gut das hier doch funktioniert - und dabei die Spannung für seinen späten Auftritt aufbaut. Die Sequenz liefert nebenbei gleich einen geographischen und dramaturgischen Wegweiser für den nachfolgenden Film. Sie führt von der 'Hauptstadt der freien Welt' New York über das ländliche New Orleans bis tief in das fiktive Karibikreich von San Monique.
Ähnlich wie im nachfolgenden THE MAN WITH THE GOLDEN GUN wird der Zuschauer in wenigen Minuten vom sonnigen Alltag in immer dunklere Abgründe geführt, mit einer schaurig-schönen Vorschau auf die dunklen Mächte, mit denen er es zu tun bekommen wird. In dieser Etablierung des Antagonisten funktioniert die Sequenz gut, auch wenn Bond selbst nicht vorkommt.
Titelmusik: 15/15
Was für ein Song! Paul McCartney liefert etwas völlig anderes als all die Bassey-Epigonen, und trotzdem einen der bondigsten Songs der Franchise-Geschichte. Dafür erhielt er zu Recht eine Oscar-Nominierung, und Platz 2 der Billboard 200. Anfang der 1990er machten Gun's Roses den Song noch einmal populär und erreichten Platz 5 der UK-Charts.
Titelanimation: 13/15
Gute Maurice-Binder-Arbeit, die mit den brennenden Totenköpfen eine eigene Ikonographie entwickelt.
Symbiose aus Musik und Animation: 13/15
Das Visuelle harmoniert gut mit dem etwas schnelleren Tempo des Liedes.
Allow me to intruduce myself...
Einführungsszene von Bond: 12/15
Rogers erster Auftritt entspricht seinem britischen Understatement und ist in der Form einmalig im Franchise. Man sieht ihn einfach in seiner Wohnung aufwachen, als wäre er schon immer Bond gewesen. Der Blick auf eine damals noch futuristische Digital-Uhr von Pulsar und eine sehr komplexe Kaffemaschine machen klar, dass dieser Bond technik-affiner ist als sein Vorgänger. Und im Vergleich zu entsprechenden Szenen in DR. NO und SPECTRE scheint er in seiner Wohnung auch wirklich zuhause zu sein. Unspektakulär, aber nicht schlecht.
Einführungsszene des Haupt-Bondgirls: 12/15
Eine dreigeteilte Einführung. Man sieht Solitaire bereits kurz in der Vortitelsequenz, kann sie aber noch nicht zuordnen. Dann sieht man ihre 'Superkraft' und hört ihre Stimme. Und schließlich sieht man sie in einer eindrucksvollen Maske und Kostümierung, erhält aber auch einen Blick auf die Frau hinter dieser Maske.
Einführungsszene des Gegenspielers: 10/15
Wie in einem Gegen-Entwurf zu DR. NO oder YOU ONLY LIVE TWICE sieht man hier gleich am Anfang den großen Drahtzieher. Eine Entzauberung, die man später schwer wieder verzaubern kann.
Wenn man den ersten Auftritt von Mr. Big als Einführungsszene sieht, dann ist diese doch ziemlich gut. "Names is for tombstones, baby", "Waste him!", Sätze für die Ewigkeit
Einführungsszene des Haupt-Henchman: 10/15
Darstellung von James Bond: 13/15
Roger Moore ist der einzige Bond-Darsteller bis dato, der keinen Screentest absolvieren musste. Weniger aufgeregt als andere Darsteller war er deshalb wohl nicht unbedingt. Nach dem von der Presse eher zerrissenen Einsatz von George Lazenby sicher eher im Gegenteil. Trotzdem merkt man ihm das weniger an als manch anderem.
Moore wirkt hier zum einen glaubhaft als Bond, der schon sehr erfahren ist, kann aber trotzdem teils juvenilen Charme versprühen. Er kommt cool und 'sophisticated' rüber, aber dabei trotzdem nie arrogant oder herablassend. Ein darstellerischer Spagat, der zu Recht mit über einem Jahrzehnt Zuschauersympathien belohnt wurde.
Ich muss aber auch gestehen, dass Roger Moore mir als Darsteller erst dann so richtig ans Herz gewachsen ist, als ich ihn dank DVD und Bluray im englischen Original erleben konnte. Seine Original-Stimme wirkt durch die tiefere Tonlage und das theater-erfahrene British English männlicher und cooler. Obwohl ich seine deutsche Stimme Niels Clausnitzer sehr mag, geht für mich im Deutschen eine Dimension von Moores Bond verloren. Vor allem in Szenen wie das erste Treffen mit Solitaire.
Gibt es Szenen, in denen Bond weniger sympathisch erscheint? Nein.
Darstellung des Gegenspielers: 10/15
Schwierig. Auf der einen Seite wirkt Yaphet Kotto etwas zu profan als Mastermind einer kontinentalen Verschwörung und auch als patriachalischer Unterdrücker von Solitaire. Andererseits hat er auch gute Szenen. Wie das Verhör von Bond. Im Prinzip bildet er den rationalen Gegenpart zu seiner eigenen theatralischen Show. Er spielt nicht in der Liga der großen Bondgegenspieler, aber ich sehe ihn ganz gern.
Henchmen: 13/15
Mit Tee Hee, Baron Samedi oder Whisper gibt es hier einige markante Unterschurken.
Bondgirl: 13/15
Manchmal wirkt Solitaire eine Spur zu naiv und unterwürfig, insgesamt stellt sie in dem ironisch-übertriebenen Spektakel zusammen mit Yaphet Kotto aber auch einen erfrischenden, ernsthaften Gegenpol dar. In den drei Hamilton-Filmen der Siebziger ragt sie schauspielerisch und charakter-technisch sehr positiv heraus, und Jane Seymour konnte auch danach eine beachtliche Karriere aufbauen.
Helfer: 12/15
Endlich wieder ein Felix Leiter, der diesen Namen verdient. Auch wenn man ihn nicht so oft mit Bond zusammen sieht. David Hedison ist einer der besten Darsteller in der Rolle und durfte später noch einmal zurückkehren.
Briefing-Szene: 13/15
Mal etwas anderes. Ich mag es, wenn das typische Briefing mal etwas variiert wird.
Moneypenny-Szene: 13/15
Man merkt hier gleich die besondere Chemie zwischen Roger Moore und Lois Maxwell. Sie wirken von Anfang an wie gute Freunde, und das manchmal etwas übertriebene Schmachten ist zum Glück erstmal vorbei.
Q-Szene: keine Wertung, da nicht vorhanden.
Dramaturgische Struktur
Ist das auslösende Ereignis stark und interessant genug? 12/15
Die gesamte Vortitelsequenz widmet sich dem Auslöser. Obwohl es eigentlich "nur" drei getötete Agenten sind, ist es sehr schön und spannend inszeniert.
Hält der Film durchgehend eine gewisse Grundspannung aufrecht? 12/15
Durch das von Anfang an gezeigte fast lückenlose Netzwerk von Mr. Big wird eine durchgehende Spannung erzeugt.
Finale allgemein: 11/15
Amüsant und stimmig, auch wenn der Teil in der Höhle nicht so innovativ ist. Dafür ist es ironisch und macht Spaß. Ich liebe es, wenn einer der Sicherheitsleute "Trouble!" ruft, als er Bond sieht.
Gibt es eine Steigerung des Sensationswertes bis hin zum Finale, das alles andere überschattet? 11/15
Endkampf Bond - Henchman: 13/15
Gründsätzlich setzte mit den Siebzigern ein gewisses Recyceln früherer Elemente ein, das es in den Sechzigern nicht gab. Die Rache der Unterschurken aus DIAMONDS ARE FOREVER wurde hier und noch einmal in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN variiert. GUN variierte dann auch Elemente aus der Bootsjagd, während später MOONRAKER wiederum den Gag mit dem zerteilten Boot aus GUN wiederholte.
Davon abgesehen ist der Kampf - der ebenfalls in THE SPY WHO LOVED MEähnlich wieder auftaucht - sehr schön und macht Spaß.
Endkampf Bond - Schurke: 10/15
Obwohl Kotto 12 Jahre jünger ist als Moore, wirkt er physisch kaum bedrohlich in dem Schlusskampf. Sein Ende erinnert dann auch etwas an Tom und Jerry.
Wirkt die Auflösung nach dem Finale befriedigend? 13/15
Durch den Kampf mit Tee Hee und dem lachenden Baron Samedi auf der Lok sehr schön.
Ist Bonds ermittlerische Vorgehensweise glaubwürdig und zielführend? 11/15
Bond setzt hier sehr auf Provokation und Konfrontation, aber durchaus wirkungsvoll. "Some kind of doomsday machine", wie Sheriff Pepper bemerkt.
Allgemein
Bond-Feeling: 14/15
Fleming-Feeling: 11/15
Der Film modernisiert zahlreiche Elemente des Romans, bleibt aber doch erstaunlich nahe an dessen Atmosphäre. Wobei man ihn natürlich stark entschärft hat, und Felix Leiters Verstümmelung mit dem gleichen Darsteller erst 16 Jahre später realisierte.
Dialoge/Humor: 14/15
Spannung: 12/15
Logik/Schlüssigkeit der Story: 11/15
Mr. Bigs Plan ist eher geerdet. Trotzdem gibt es natürlich auch einige Unstimmigkeiten. Die Ermordung der Agenten am Anfang wirkt beispielsweise wie eine Einladung an den MI6. Man fragt sich bei den Bondfilmen oft, wieso die Schurken feindliche Agenten nicht etwas eleganter und unauffälliger beseitigen. Über das übersinnliche Element kann man sich auch streiten. Für Hardcore-Naturalisten wirkt das sicherlich eher unstimmig.
Produktions-Design: 12/15
Sehr schön Siebziger-Jahre-mäßig.
Spezialeffekte: 10/15
Da kommt vor allem der Schluss-Effekt in den Sinn, der durch die unscharfe und körnige Aufnahme unstimmig wirkt.
Action/Stunts: 15/15
Hammer! Der Lauf über die Krokodile ist ein genialer, todesmutiger Stunt. Grandios auch die Bootsjagd.
Bildgestaltung: 11/15
Locations
Drehorte: 14/15
New York und New Orleans sind ikonisch. Auch die Locations der Bootsjagd in Lousiana.
Lokalkolorit: 14/15
Man sieht hier auch einige weniger schmucke Ecken von New York, die es in den Siebzigern noch gab. Die Atmosphäre in Harlem, auf Jamaika und in Lousiana ist ebenfalls sehr schön eingefangen.
Kombination: 14/15
Die Drehorte werden bereits durch die Vortitelsequenz thematisch geschickt verknüpft.
Musik
Titelsong: 15/15
Einer der Besten ever. Immer wieder auch mal auf meinem Platz Nr. 1. Ein gewagter Tempowechsel und interessante Lyrics heben ihn von vielen anderen Liedern ab. Songs wie dieser führten dazu, dass ich durch das Anhören einer Bondsong-Compilation zum echten Fan wurde.
Allgemein: 15/15
Zum ersten Mal seit DR. NO ist nicht John Barry für die Musik verantwortlich, und es ist einer der wenigen Soundtracks, die ich nicht gegen einen von Barry eintauschen würde. George Martins Musik ist wunderbar groovy, passt zum Amerika der frühen Siebziger und webt auch perfekt den Titelsong ein.
Wie George Martin die Musik bei der Bootsjagd erst spät einsetzen lässt, dafür um so wirkungsvoller, liebe ich einfach! Ebenso das kurze Zitieren des Hochzeitsmarsches. Ein wunderbarer Score!
Fazit - Gewonnen oder verloren?
Gefühlt zwischen einer 2+ und einer 1-. Der Film macht immer wieder enorm Spaß, aber für die Logenplätze fehlt noch etwas. Rechnerisch nähert er sich der 1-, hat insofern ein wenig gewonnen.
Die Atmosphäre der frühen Siebziger vor allem in New York mag ich enorm, auch in vielen anderen Filmen dieser Zeit. Wenn ich als Wertungspunkt noch Autos allgemein hätte, würde LIVE AND LET DIE hier glatte 15 Punkte bekommen. Ich liebe diese ellenlangen Amischlitten, die in heutigen Zeiten wie Dinosaurier wirken. Es ist insofern vielleicht der typischste Bondfilm der Seventies.
Über die Darstellung der Schwarzen kann man aus heutiger Sicht natürlich trefflich streiten. Das Augenrollen von Samedi-Darsteller Geoffrey Holder kann man beispielsweise als Rückfall in schlimme Stummfilmzeiten sehen, aber auch als ironische Parodie derselben. Auch Sheriff Pepper wurde als Seitenhieb auf rassistische Südstaaten-Sheriffs angelegt, auch wenn er dafür sicher zu harmlos wirkt.
Insgesamt ist es einer der Klassiker, die es schaffen, sowohl ein jugendliches als auch ein erwachsenes Publikum ausgezeichnet zu unterhalten.
Gefühlt: 12/15
Errechnet: 12,72/15
Also bis 85 % und eine 1-: Die Leistungen entsprechen den Anforderungen in besonderem Maße.
You got to give the other fella hell."
(Live and let die, Paul McCartney & Wings)
Bond-Marathon #8: LIVE AND LET DIE (1973)
Immer wieder einmal gibt es Bondfilme, die stärker als andere in die Populärkultur einfließen und jugendliche Zuschauer eindringlicher prägten. LIVEAND LET DIE ist einer davon. Sowohl für Daniel Craig als auch Regisseur Sam Mendes war es beispielsweise der erste Bond im Kino, was man in der Vortitelsequenz von SPECTRE deutlich spürt. Aber auch in der Kommodo-Waran-Szene in SKYFALL.
Der Film hat nicht nur einen zum Meme gewordenen Titel - der ein berühmtes Zitat aus Schillers Wallensteins Lager variiert - und einen grandiosen Titelsong dazu, sondern auch eine einzigartige Atmosphäre und zahlreiche ikonische Einfälle, Stunts und Figuren.
LIVE AND LET DIE kulinarisch
"Two Sazeracs! Where is your sense of adventure, James? This is New Orleans, relax!"
LIVEAND LET DIE ist mal wieder einer der Bondfilme, die jenseits von Champagner, Wodka Martini oder Bourbon auf die lukullischen Besonderheiten der jeweiligen Handlungs-Orte eingehen. Hier in Form des Sazerac, seit 2008 der offizielle Cocktail von New Orleans. Schön ist, dass Bond hier von Felix Leiter selbst daran erinnert wird, auf diesem Gebiet etwas offener zu sein. Doch in den Genuss des Drinks lässt ihn Mr. Big trotzdem nicht kommen.
Der Sazerac geht zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich wurde er mit aus Frankreich importierten Cognac zubereitet. Nachdem Rebläuse zahlreiche Weinernten in Frankreich reduziert hatten, verwendete man stattdessen Roggen-Whiskey. Unverzichtbar ist dagegen Peychaud's Bitter, benannt nach dem in New Orleans ansässigen Apotheker Antoine Peychaud. Aus der kleinen Bar, in der der Drink kreiert wurde, wurde die Sazerac Company, die heute noch den Sazerac Rye Whiskey herstellt. Die Variante mit Cognac ist allerdings die etwas weniger aufwändigere, und tröstlicherweise noch dazu die ursprünglichere. Hinzu kommen Absinth, ein Zuckerwürfel sowie eine Zitronenzeste. Hier das Rezept.
Im Vorfeld: Auf welche Elemente freue ich mich? Auf welche nicht?
Der Film hat wie schon erwähnt zahlreiche attraktive Elemente, die ich immer wieder gern sehe. Im Marathon war es einer der Filme, auf die ich mich besonders gefreut habe.
Bewertungen:
Einführungssequenz / Vortitelsequenz: 11/15
Eine Vortitelsequenz, in der James Bond selbst gar nicht vorkommt, ist heute gar nicht mehr denkbar. Umso erstaunlicher ist, wie gut das hier doch funktioniert - und dabei die Spannung für seinen späten Auftritt aufbaut. Die Sequenz liefert nebenbei gleich einen geographischen und dramaturgischen Wegweiser für den nachfolgenden Film. Sie führt von der 'Hauptstadt der freien Welt' New York über das ländliche New Orleans bis tief in das fiktive Karibikreich von San Monique.
Ähnlich wie im nachfolgenden THE MAN WITH THE GOLDEN GUN wird der Zuschauer in wenigen Minuten vom sonnigen Alltag in immer dunklere Abgründe geführt, mit einer schaurig-schönen Vorschau auf die dunklen Mächte, mit denen er es zu tun bekommen wird. In dieser Etablierung des Antagonisten funktioniert die Sequenz gut, auch wenn Bond selbst nicht vorkommt.
Titelmusik: 15/15
Was für ein Song! Paul McCartney liefert etwas völlig anderes als all die Bassey-Epigonen, und trotzdem einen der bondigsten Songs der Franchise-Geschichte. Dafür erhielt er zu Recht eine Oscar-Nominierung, und Platz 2 der Billboard 200. Anfang der 1990er machten Gun's Roses den Song noch einmal populär und erreichten Platz 5 der UK-Charts.
Titelanimation: 13/15
Gute Maurice-Binder-Arbeit, die mit den brennenden Totenköpfen eine eigene Ikonographie entwickelt.
Symbiose aus Musik und Animation: 13/15
Das Visuelle harmoniert gut mit dem etwas schnelleren Tempo des Liedes.
Allow me to intruduce myself...
Einführungsszene von Bond: 12/15
Rogers erster Auftritt entspricht seinem britischen Understatement und ist in der Form einmalig im Franchise. Man sieht ihn einfach in seiner Wohnung aufwachen, als wäre er schon immer Bond gewesen. Der Blick auf eine damals noch futuristische Digital-Uhr von Pulsar und eine sehr komplexe Kaffemaschine machen klar, dass dieser Bond technik-affiner ist als sein Vorgänger. Und im Vergleich zu entsprechenden Szenen in DR. NO und SPECTRE scheint er in seiner Wohnung auch wirklich zuhause zu sein. Unspektakulär, aber nicht schlecht.
Einführungsszene des Haupt-Bondgirls: 12/15
Eine dreigeteilte Einführung. Man sieht Solitaire bereits kurz in der Vortitelsequenz, kann sie aber noch nicht zuordnen. Dann sieht man ihre 'Superkraft' und hört ihre Stimme. Und schließlich sieht man sie in einer eindrucksvollen Maske und Kostümierung, erhält aber auch einen Blick auf die Frau hinter dieser Maske.
Einführungsszene des Gegenspielers: 10/15
Wie in einem Gegen-Entwurf zu DR. NO oder YOU ONLY LIVE TWICE sieht man hier gleich am Anfang den großen Drahtzieher. Eine Entzauberung, die man später schwer wieder verzaubern kann.
Wenn man den ersten Auftritt von Mr. Big als Einführungsszene sieht, dann ist diese doch ziemlich gut. "Names is for tombstones, baby", "Waste him!", Sätze für die Ewigkeit
Einführungsszene des Haupt-Henchman: 10/15
Darstellung von James Bond: 13/15
Roger Moore ist der einzige Bond-Darsteller bis dato, der keinen Screentest absolvieren musste. Weniger aufgeregt als andere Darsteller war er deshalb wohl nicht unbedingt. Nach dem von der Presse eher zerrissenen Einsatz von George Lazenby sicher eher im Gegenteil. Trotzdem merkt man ihm das weniger an als manch anderem.
Moore wirkt hier zum einen glaubhaft als Bond, der schon sehr erfahren ist, kann aber trotzdem teils juvenilen Charme versprühen. Er kommt cool und 'sophisticated' rüber, aber dabei trotzdem nie arrogant oder herablassend. Ein darstellerischer Spagat, der zu Recht mit über einem Jahrzehnt Zuschauersympathien belohnt wurde.
Ich muss aber auch gestehen, dass Roger Moore mir als Darsteller erst dann so richtig ans Herz gewachsen ist, als ich ihn dank DVD und Bluray im englischen Original erleben konnte. Seine Original-Stimme wirkt durch die tiefere Tonlage und das theater-erfahrene British English männlicher und cooler. Obwohl ich seine deutsche Stimme Niels Clausnitzer sehr mag, geht für mich im Deutschen eine Dimension von Moores Bond verloren. Vor allem in Szenen wie das erste Treffen mit Solitaire.
Gibt es Szenen, in denen Bond weniger sympathisch erscheint? Nein.
Darstellung des Gegenspielers: 10/15
Schwierig. Auf der einen Seite wirkt Yaphet Kotto etwas zu profan als Mastermind einer kontinentalen Verschwörung und auch als patriachalischer Unterdrücker von Solitaire. Andererseits hat er auch gute Szenen. Wie das Verhör von Bond. Im Prinzip bildet er den rationalen Gegenpart zu seiner eigenen theatralischen Show. Er spielt nicht in der Liga der großen Bondgegenspieler, aber ich sehe ihn ganz gern.
Henchmen: 13/15
Screenshot of Live and Let Die 1973. Picture is copyrighted owned by MGM in 1973 but released for the fair use and promotion in the media |
Bondgirl: 13/15
Manchmal wirkt Solitaire eine Spur zu naiv und unterwürfig, insgesamt stellt sie in dem ironisch-übertriebenen Spektakel zusammen mit Yaphet Kotto aber auch einen erfrischenden, ernsthaften Gegenpol dar. In den drei Hamilton-Filmen der Siebziger ragt sie schauspielerisch und charakter-technisch sehr positiv heraus, und Jane Seymour konnte auch danach eine beachtliche Karriere aufbauen.
Helfer: 12/15
Endlich wieder ein Felix Leiter, der diesen Namen verdient. Auch wenn man ihn nicht so oft mit Bond zusammen sieht. David Hedison ist einer der besten Darsteller in der Rolle und durfte später noch einmal zurückkehren.
Briefing-Szene: 13/15
Mal etwas anderes. Ich mag es, wenn das typische Briefing mal etwas variiert wird.
Moneypenny-Szene: 13/15
Man merkt hier gleich die besondere Chemie zwischen Roger Moore und Lois Maxwell. Sie wirken von Anfang an wie gute Freunde, und das manchmal etwas übertriebene Schmachten ist zum Glück erstmal vorbei.
Q-Szene: keine Wertung, da nicht vorhanden.
Dramaturgische Struktur
Ist das auslösende Ereignis stark und interessant genug? 12/15
Die gesamte Vortitelsequenz widmet sich dem Auslöser. Obwohl es eigentlich "nur" drei getötete Agenten sind, ist es sehr schön und spannend inszeniert.
Hält der Film durchgehend eine gewisse Grundspannung aufrecht? 12/15
Durch das von Anfang an gezeigte fast lückenlose Netzwerk von Mr. Big wird eine durchgehende Spannung erzeugt.
Finale allgemein: 11/15
Amüsant und stimmig, auch wenn der Teil in der Höhle nicht so innovativ ist. Dafür ist es ironisch und macht Spaß. Ich liebe es, wenn einer der Sicherheitsleute "Trouble!" ruft, als er Bond sieht.
Gibt es eine Steigerung des Sensationswertes bis hin zum Finale, das alles andere überschattet? 11/15
Endkampf Bond - Henchman: 13/15
Gründsätzlich setzte mit den Siebzigern ein gewisses Recyceln früherer Elemente ein, das es in den Sechzigern nicht gab. Die Rache der Unterschurken aus DIAMONDS ARE FOREVER wurde hier und noch einmal in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN variiert. GUN variierte dann auch Elemente aus der Bootsjagd, während später MOONRAKER wiederum den Gag mit dem zerteilten Boot aus GUN wiederholte.
Davon abgesehen ist der Kampf - der ebenfalls in THE SPY WHO LOVED MEähnlich wieder auftaucht - sehr schön und macht Spaß.
Endkampf Bond - Schurke: 10/15
Obwohl Kotto 12 Jahre jünger ist als Moore, wirkt er physisch kaum bedrohlich in dem Schlusskampf. Sein Ende erinnert dann auch etwas an Tom und Jerry.
Wirkt die Auflösung nach dem Finale befriedigend? 13/15
Durch den Kampf mit Tee Hee und dem lachenden Baron Samedi auf der Lok sehr schön.
Ist Bonds ermittlerische Vorgehensweise glaubwürdig und zielführend? 11/15
Bond setzt hier sehr auf Provokation und Konfrontation, aber durchaus wirkungsvoll. "Some kind of doomsday machine", wie Sheriff Pepper bemerkt.
Allgemein
Fleming-Feeling: 11/15
Der Film modernisiert zahlreiche Elemente des Romans, bleibt aber doch erstaunlich nahe an dessen Atmosphäre. Wobei man ihn natürlich stark entschärft hat, und Felix Leiters Verstümmelung mit dem gleichen Darsteller erst 16 Jahre später realisierte.
Dialoge/Humor: 14/15
Spannung: 12/15
Logik/Schlüssigkeit der Story: 11/15
Mr. Bigs Plan ist eher geerdet. Trotzdem gibt es natürlich auch einige Unstimmigkeiten. Die Ermordung der Agenten am Anfang wirkt beispielsweise wie eine Einladung an den MI6. Man fragt sich bei den Bondfilmen oft, wieso die Schurken feindliche Agenten nicht etwas eleganter und unauffälliger beseitigen. Über das übersinnliche Element kann man sich auch streiten. Für Hardcore-Naturalisten wirkt das sicherlich eher unstimmig.
Produktions-Design: 12/15
Sehr schön Siebziger-Jahre-mäßig.
Spezialeffekte: 10/15
Da kommt vor allem der Schluss-Effekt in den Sinn, der durch die unscharfe und körnige Aufnahme unstimmig wirkt.
Action/Stunts: 15/15
Hammer! Der Lauf über die Krokodile ist ein genialer, todesmutiger Stunt. Grandios auch die Bootsjagd.
Bildgestaltung: 11/15
Locations
Drehorte: 14/15
Screenshot of Live and Let Die 1973. Picture is copyrighted owned by MGM in 1973 but released for the fair use and promotion in the media |
Lokalkolorit: 14/15
Man sieht hier auch einige weniger schmucke Ecken von New York, die es in den Siebzigern noch gab. Die Atmosphäre in Harlem, auf Jamaika und in Lousiana ist ebenfalls sehr schön eingefangen.
Kombination: 14/15
Die Drehorte werden bereits durch die Vortitelsequenz thematisch geschickt verknüpft.
Musik
Titelsong: 15/15
Einer der Besten ever. Immer wieder auch mal auf meinem Platz Nr. 1. Ein gewagter Tempowechsel und interessante Lyrics heben ihn von vielen anderen Liedern ab. Songs wie dieser führten dazu, dass ich durch das Anhören einer Bondsong-Compilation zum echten Fan wurde.
Allgemein: 15/15
Zum ersten Mal seit DR. NO ist nicht John Barry für die Musik verantwortlich, und es ist einer der wenigen Soundtracks, die ich nicht gegen einen von Barry eintauschen würde. George Martins Musik ist wunderbar groovy, passt zum Amerika der frühen Siebziger und webt auch perfekt den Titelsong ein.
Wie George Martin die Musik bei der Bootsjagd erst spät einsetzen lässt, dafür um so wirkungsvoller, liebe ich einfach! Ebenso das kurze Zitieren des Hochzeitsmarsches. Ein wunderbarer Score!
Fazit - Gewonnen oder verloren?
Gefühlt zwischen einer 2+ und einer 1-. Der Film macht immer wieder enorm Spaß, aber für die Logenplätze fehlt noch etwas. Rechnerisch nähert er sich der 1-, hat insofern ein wenig gewonnen.
Die Atmosphäre der frühen Siebziger vor allem in New York mag ich enorm, auch in vielen anderen Filmen dieser Zeit. Wenn ich als Wertungspunkt noch Autos allgemein hätte, würde LIVE AND LET DIE hier glatte 15 Punkte bekommen. Ich liebe diese ellenlangen Amischlitten, die in heutigen Zeiten wie Dinosaurier wirken. Es ist insofern vielleicht der typischste Bondfilm der Seventies.
Über die Darstellung der Schwarzen kann man aus heutiger Sicht natürlich trefflich streiten. Das Augenrollen von Samedi-Darsteller Geoffrey Holder kann man beispielsweise als Rückfall in schlimme Stummfilmzeiten sehen, aber auch als ironische Parodie derselben. Auch Sheriff Pepper wurde als Seitenhieb auf rassistische Südstaaten-Sheriffs angelegt, auch wenn er dafür sicher zu harmlos wirkt.
Insgesamt ist es einer der Klassiker, die es schaffen, sowohl ein jugendliches als auch ein erwachsenes Publikum ausgezeichnet zu unterhalten.
Gefühlt: 12/15
Errechnet: 12,72/15
Also bis 85 % und eine 1-: Die Leistungen entsprechen den Anforderungen in besonderem Maße.
James Bond will return in
THE MAN WITH THE GOLDEN GUN