Colonel Sun (Kingsley Amis)
Mit Colonel Sun erschien 1968 der erste James-Bond-Roman, der das Erbe des viel zu früh verstorbenen Ian Fleming fortsetzte. Und es ist immer noch einer der besten davon, vielleicht sogar der beste. Dabei hatte der Bondfan Kingsley Amis, der unter dem Pseudonym Robert Markham schrieb, einige Vorteile auf seiner Seite. So konnte er beispielsweise unmittelbar an den von Fleming geschaffenen Bond anknüpfen und musste die Figur nicht krampfhaft in die Moderne oder eine künstliche Sixties-Atmosphäre hineinschreiben, wie etwa John Gardner oder William Boyd. In vielen Aspekten nimmt Amis in seinem Buch auch zukünftige Entwicklungen im Franchise vorweg. Und nicht zuletzt gewinnt man einen kleinen Einblick in das Griechenland der späten Sechziger, der vor dem Hintergrund gegenwärtiger Konflikte sehr interessant ist.
Interessanterweise stand die Scherz-Ausgabe des Romanes schon seit langem ungelesen in meinem Regal, noch unter dem Titel Liebesgrüße aus Athen und mit einem Plakatmotiv von THUNDERBALL auf dem Cover. Die üblichen Lieblosigkeiten. Dabei existieren gerade zu Colonel Sun einige der interessantesten Buchcover. Nebenstehend beispielsweise die sehr ungewöhnliche, Dalí-eske Illustration der Erstausgabe von Tom Adams, deren Sinn sich für mich erst nach der Lektüre einigermaßen erschlossen hat.
Für die Neuübersetzung des Cross-Cult-Verlages hat wieder Michael Gillette eins seiner phantastischen Cover beigesteuert. (Die Dame erinnert mich ein wenig an Emma Watson. Hier und hier die beiden neuesten Illustrationen für kommende Gardner-Romane.)
Die Handlung des Romans ist sehr geradlinig und verzichtet auf die heute übliche Jagd rund um den Globus. Neben London ist das Griechenland zu Beginn der Militär-Junta Schauplatz. Nachdem Bonds Chef M von unbekannten Handlangern entführt wurde, folgt James Bond der Spur, die sie absichtlich hinterlassen haben. Als er die Verschwörung durchschaut, bei der er selbst eine wichtige Rolle spielen soll, ist es schon fast zu spät. Amis orientiert sich an einer der besten Fleming-Stories - From Russia, With Love - und beim Gegenspieler ebenfalls an einem von Flemings Besten, Dr. No. Colonel Sun ist ein sehr plastisch beschriebener und echt wirkender Gegenspieler.
Dessen Plan wirkt ebenfalls realistisch und glaubwürdig. Das Buch erschien ein Jahr nach YOU ONLY LIVE TWICE und CASINO ROYALE, und Amis betont im Vorwort, dass er die Entwicklung der Bondfilme zu orgiastischen Spektakeln sehr kritisch sieht. Colonel Sun könnte man insofern als den allerersten Versuch der Bondgeschichte sehen, 007 wieder 'back to basics' zu führen.
Die Idee, M aktiv in die Handlung einzubauen, ist zudem ein ziemlich cleverer Kunstgriff. M ist, wie Fleming oft genug betonte, der Mensch, für den Bond die größte Loyalität empfindet. Man braucht also nicht Felix Leiter oder einen imaginären Freund wie Alec Trevelyan, und auch keine Liebe wie Paris Carver oder Electra King. M ist der simple Schlüssel zu Bonds menschlicher Seite. Erst mit SKYFALL hat man das in den Filmen entsprechend umgesetzt. In Colonel Sun spielt M zum ersten Mal eine aktive Rolle, ohne dass man dabei das Gefühl hat, sich von Bonds gewohnter Welt zu weit zu entfernen.
Innovativ ist auch Bonds 'Love Interest', die Griechin Ariadne Alexandrou, die sich als Agentin der Gegenseite entpuppt. Bond Seite an Seite mit einer Spionin des KGB - Das gab es in den Filmen erst knapp zehn Jahre später, mit Major Anya Amasova in THE SPY WHO LOVED ME. (Immerhin hat Anya dieselben Initialen wie Ariadne)
Überhaupt ist der Roman wesentlich versöhnlicher gegenüber den Russen, als man es noch von Fleming kennt. Bond rettet einigen Russen das Leben und verhindert größeren Schaden für die Sowjetunion. Auch mit dieser Detente-Einstellung war Amis im Bonduniversum weit voraus.
Im Spannungsaufbau und der inneren Schlüssigkeit der Handlung ist Colonel Sun sogar einigen Fleming-Büchern überlegen, wie etwa Diamonds Are Forever oder The Man With The Golden Gun. Amis greift auch Flemings Faible auf, den Helden gegen Ende unmenschlichen Torturen auszusetzen, ist aber in diesem Punkt ebenfalls effektiver als viele andere Bondbücher. Das was Colonel Sun mit Bond anstellt, beziehungsweise anstellen will, berührt einem beim Lesen durchaus unangenehm.
Der Stil wie auch die Übersetzung lesen sich sehr gut. Etwas negativ fiel mir auch die lokale Beschränkung auf die griechische Inselwelt gegen Ende auf. Wenn Bond einmal mit dem Boot zur (fiktiven) Vulkaninsel Vrakonisi unterwegs ist, gibt es nur noch wenige Überraschungen und Abwechslung.
Von allen Fleming-Nachfolgern kommt Kingley Amis ihm trotzdem am nächsten und hat dementsprechend viele Spuren im 007-Kosmos hinterlassen. Das Buch ist dadurch für Bondfans ein Muss, und auch dann sehr lesenswert, wenn man den Filmbond bevorzugt.
James Bond 15: COLONEL SUN
Kingsley Amis (als Robert Markham)
240 Seiten
Preis: 12,80 Euro
ISBN 978 - 3 - 86425 - 432 - 1
CROSS CULT Verlag 2014
Mit Colonel Sun erschien 1968 der erste James-Bond-Roman, der das Erbe des viel zu früh verstorbenen Ian Fleming fortsetzte. Und es ist immer noch einer der besten davon, vielleicht sogar der beste. Dabei hatte der Bondfan Kingsley Amis, der unter dem Pseudonym Robert Markham schrieb, einige Vorteile auf seiner Seite. So konnte er beispielsweise unmittelbar an den von Fleming geschaffenen Bond anknüpfen und musste die Figur nicht krampfhaft in die Moderne oder eine künstliche Sixties-Atmosphäre hineinschreiben, wie etwa John Gardner oder William Boyd. In vielen Aspekten nimmt Amis in seinem Buch auch zukünftige Entwicklungen im Franchise vorweg. Und nicht zuletzt gewinnt man einen kleinen Einblick in das Griechenland der späten Sechziger, der vor dem Hintergrund gegenwärtiger Konflikte sehr interessant ist.
(Ian Fleming Publications) |
Für die Neuübersetzung des Cross-Cult-Verlages hat wieder Michael Gillette eins seiner phantastischen Cover beigesteuert. (Die Dame erinnert mich ein wenig an Emma Watson. Hier und hier die beiden neuesten Illustrationen für kommende Gardner-Romane.)
Die Handlung des Romans ist sehr geradlinig und verzichtet auf die heute übliche Jagd rund um den Globus. Neben London ist das Griechenland zu Beginn der Militär-Junta Schauplatz. Nachdem Bonds Chef M von unbekannten Handlangern entführt wurde, folgt James Bond der Spur, die sie absichtlich hinterlassen haben. Als er die Verschwörung durchschaut, bei der er selbst eine wichtige Rolle spielen soll, ist es schon fast zu spät. Amis orientiert sich an einer der besten Fleming-Stories - From Russia, With Love - und beim Gegenspieler ebenfalls an einem von Flemings Besten, Dr. No. Colonel Sun ist ein sehr plastisch beschriebener und echt wirkender Gegenspieler.
Dessen Plan wirkt ebenfalls realistisch und glaubwürdig. Das Buch erschien ein Jahr nach YOU ONLY LIVE TWICE und CASINO ROYALE, und Amis betont im Vorwort, dass er die Entwicklung der Bondfilme zu orgiastischen Spektakeln sehr kritisch sieht. Colonel Sun könnte man insofern als den allerersten Versuch der Bondgeschichte sehen, 007 wieder 'back to basics' zu führen.
Die Idee, M aktiv in die Handlung einzubauen, ist zudem ein ziemlich cleverer Kunstgriff. M ist, wie Fleming oft genug betonte, der Mensch, für den Bond die größte Loyalität empfindet. Man braucht also nicht Felix Leiter oder einen imaginären Freund wie Alec Trevelyan, und auch keine Liebe wie Paris Carver oder Electra King. M ist der simple Schlüssel zu Bonds menschlicher Seite. Erst mit SKYFALL hat man das in den Filmen entsprechend umgesetzt. In Colonel Sun spielt M zum ersten Mal eine aktive Rolle, ohne dass man dabei das Gefühl hat, sich von Bonds gewohnter Welt zu weit zu entfernen.
Illustration im TRUE Magazine (Illustrated007) |
Überhaupt ist der Roman wesentlich versöhnlicher gegenüber den Russen, als man es noch von Fleming kennt. Bond rettet einigen Russen das Leben und verhindert größeren Schaden für die Sowjetunion. Auch mit dieser Detente-Einstellung war Amis im Bonduniversum weit voraus.
Im Spannungsaufbau und der inneren Schlüssigkeit der Handlung ist Colonel Sun sogar einigen Fleming-Büchern überlegen, wie etwa Diamonds Are Forever oder The Man With The Golden Gun. Amis greift auch Flemings Faible auf, den Helden gegen Ende unmenschlichen Torturen auszusetzen, ist aber in diesem Punkt ebenfalls effektiver als viele andere Bondbücher. Das was Colonel Sun mit Bond anstellt, beziehungsweise anstellen will, berührt einem beim Lesen durchaus unangenehm.
Der Stil wie auch die Übersetzung lesen sich sehr gut. Etwas negativ fiel mir auch die lokale Beschränkung auf die griechische Inselwelt gegen Ende auf. Wenn Bond einmal mit dem Boot zur (fiktiven) Vulkaninsel Vrakonisi unterwegs ist, gibt es nur noch wenige Überraschungen und Abwechslung.
Von allen Fleming-Nachfolgern kommt Kingley Amis ihm trotzdem am nächsten und hat dementsprechend viele Spuren im 007-Kosmos hinterlassen. Das Buch ist dadurch für Bondfans ein Muss, und auch dann sehr lesenswert, wenn man den Filmbond bevorzugt.
James Bond 15: COLONEL SUN
Kingsley Amis (als Robert Markham)
240 Seiten
Preis: 12,80 Euro
ISBN 978 - 3 - 86425 - 432 - 1
CROSS CULT Verlag 2014