20 Jahre GOLDENEYEDezember 1995. James Bond ist zurück! Endlich! Zum ersten Mal in seiner Geschichte erschien ein Bond nicht mit der gemütlichen Regelmäßigkeit gewisser Feiertage, sondern drohte eine zeit lang überhaupt nicht mehr zu erscheinen. Und es gab auch nicht wenige Stimmen, die seine Tage tatsächlich für gezählt hielten. Nicht nur wegen des Endes des Kalten Krieges. In den Achtzigern war die Reihe mit einen stetigen Abwärtstrend der Einspielergebnisse konfrontiert, der mit L
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ILL in einem Negativ-Rekord mündete. Andere Kinohelden waren mühelos an der einstigen Ikone vorbeigezogen und schienen den Zeitgeist besser zu treffen. 007 spürte den Hauch des Todes, und auf G
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YE lag nicht nur die enorme Vorfreude der Fans, sondern auch die große Skepsis der Kritiker.
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Good Bye, Lenin - Der geniale Titel von Daniel Kleinman |
In der Presse gab es Überschriften wie "Was ist dran am alten Mann?" und Lesermeinungen wie "Lasst ihn doch jetzt ruhen, seine Zeit ist over". In Frage gestellt war Bond als Mythos und Held allgemein, G
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YE musste also auch dem Mythos insgesamt gerecht werden. Insofern war es nur konsequent, dass Pierce Brosnan möglichst viele Facetten von James Bond ansprach - wie Connerys Coolness, Moores Humor, Lazenbys Menschlichkeit und Daltons Härte. Diese Aufgabe meisterte Pierce Brosnan mit Bravour. Einer Legende in ihrer allgemeinen popkulturellen Wahrnehmung möglichst nahe zu kommen ist als Aufgabe sicher nicht weniger schwer als seine eigene darstellerische Nische zu finden.
Auch dass G
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YE nacheinander fast alle Standards der Bondformel abhakt ist in diesem Zusammenhang nur konsequent. L
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ILL war von vielen Zuschauern als eine Amerikanisierung von Bond wahrgenommen worden, als ein Downsizing und eine Abkehr von der überlebensgroßen Leichtigkeit früherer Tage. (Und ich muss gestehen, dass ich L
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ILL beim ersten Sehen auch so empfand.) Der Martini konnte daher nicht genug geschüttelt werden; das Publikum sollte die Rückkehr von James Bond in jeder Hinsicht feiern.
Das Konzept von G
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YE, Bond als sich selbst treu bleibenden Charakter mit dem veränderten Zeitgeist zu konfrontieren, ist zur Blaupause für die gesamte Post-Cold-War-Ära geworden. (Bond selbst wurde nie völlig dem Zeitgeist unterworfen, weshalb es auch schwachsinnig wäre, aus ihm eine Multikulti-Projektion zu machen.) Aspekte davon finden sich bis heute in den Bondfilmen:
Was damals das Ende der Ost-West-Konfrontation war, ist heute das Ende der analogen Agententätigkeit durch Trojaner und Drohnen. Zum Symbolbild für den MI-6, der sich aus der geheimhalterischen Defensive in die Publicity-Offensive begab, wurde das neue SIS-Hauptquartier am Vauxhall Cross. Die Tage, in denen der Geheimdienst geflissentlich die Fassade von 'Universal Exports' irgendwo am Regent's Park aufrechterhielt, waren gezählt. Jetzt weiß jeder Londoner und jeder Tourist, wo die Spione sitzen. Seit 2005 gibts sogar eine eigene Internetpräsenz - zu Zeiten des Kalten Krieges absolut undenkbar.
Dabei tat man sich mit der sperrigen Architektur des Hauptquartiers von Anfang an etwas schwer. Martin Campbell photographierte es in G
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YE nur nachts, wenn es durch eine effektvolle Beleuchtung eleganter und eindrucksvoller erscheint. Ebenso in D
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NOTHER D
AY. In T
OMORROW N
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UANTUMOF S
OLACE wich man auf andere Gebäude aus, in C
ASINO R
OYALE sieht man es ebenfalls nicht. In T
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NOUGH und S
KYFALL wird es angegriffen, in S
PECTRE schließlich ganz zum Abschuss frei gegeben.
Dieser große Themenbogen des 'neuen, transparenteren Geheimdienstes', der mit G
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YE und dem Vauxhall-Cross-Gebäude etabliert wurde, wurde mit S
KYFALL und S
PECTRE nun abgeschlossen. Die "Lego-Burg" ist kaputt, die Spione spielen wieder im Schatten.
Ein Thema, das fast automatisch aus dem "transparenten Geheimdienst" resultiert. Aus dem unscheinbaren Mann mit der Nuklearwaffe im Koffer bei Fleming wurde der unscheinbare Mann, der irgendwo per Knopfdruck ein Atomkraftwerk sabotiert.
Das Interessante ist, dass sich in Michael France' ersten Drehbuch-Entwurf zu G
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YE in gewisser Weise bereits der Verweis auf 9/11 findet, der sowohl in C
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OYALE als auch S
KYFALL und S
PECTRE wieder auftaucht - und das noch in Bezug auf das erste World-Trade-Center-Attentat 1993 (siehe
hier). Antagonist Trevelyn hackt bereits hier die Computer im Finanzzentrum des WTC nach diesem Anschlag.
So zeitgemäß, wie das Thema spätestens seit den Neunzigern ist, so problematisch ist es allerdings auch im Film. Es scheint, als ob das Medium Film mit der Darstellung der vernetzten Online-Welt überfordert ist und an seine Grenzen kommt. Die dargestellten 'Hacker' wirken fast immer wie nervige, zweidimensionale Klischees, und die entsprechende Tätigkeit, die so essentiell für die Handlung ist, wirkt fast immer überzogen und unglaubwürdig. Man sieht riesige Bildschirme und komische Muster, wie in S
KYFALL. Dass Bond in G
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YE den Hacker durch einen Kugelschreiber überlistet oder in S
KYFALL den Namen einer alten U-Bahnstation in der sich psychedelisch windenden Verschlüsselungsanimation sieht, wirkt ein bisschen wie der trotzige Versuch der Drehbuchautoren, das Nicht-Verstehen ihres Themas in bedeutungsschwangere Bilder zu übersetzen.
Insofern hoffe ich ehrlich gesagt, dass das ganze Thema Cyber-Terrorismus und -Überwachung mit S
PECTRE tatsächlich durch ist, denn es wirkt im Film nie so bedrohlich wie es in Realität sein mag.
Mit der Publicity-Offensive nach dem Fall der Mauer wurde auch bekannt, dass eine Frau das Sagen hat: Stella Rimington, die heute Spionagethriller schreibt. (Wobei man der Richtigkeit halber anmerken muss, dass sie die Chefin des Inlandsgeheimdienstes MI-5 war.) Auch darauf regierte man mit den Filmen und besetzte M mit der renommierten Shakespeare-Mimin Judi Dench - der Beginn einer wundervollen Beziehung.
Eine Frau als M war auf jeden Fall eine der besten Ideen von G
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YE, Bond mit der Postmoderne zu konfrontieren. Bonds Loyalität gegenüber seinem Boss wird damit mit seinem machistischen Frauenbild in Konflikt gestellt. Sahen sich Bond und M anfangs noch als Dinosaurier und Zahlenhexe, kämpften sie in S
KYFALL schließlich Seite an Seite und achteten ihre jeweiligen Stärken. Auch damit wurde ein Themenkomplex abgeschlossen, der in Brosnans Debüt begründet wurde. S
KYFALL ist in mehrerer Hinsicht das Gegenstück zu G
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YE.
In den Romanen und den frühen Bondfilmen waren die Gegenspieler negativ überzeichnete, steinreiche Vaterfiguren. In Michael France' erstem Entwurf zu G
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YE war der Schurke Augustus Trevelyan auch noch ein väterlicher Mentor für Bond, und eher noch ein dunkles Spiegelbild von M. Er war ein früherer Chef des MI-6 und der Doppelnull-Sektion, der zu den Sowjets übergelaufen war und sich jetzt durch einen Coup seine Rente sichern will. (Eine Story, die stark dem 1996 erschienenen ersten M
ISSION: I
MPOSSIBLEähnelt, wo aus Jim Phelps ein Schurke wurde.)
Daraus wurde eine Art Anti-007. Ein Doppelnull-Agent, der die Seiten wechselt. Ein Thema, das auch S
KYFALL noch einmal aufgegriff und weiterspann. In beiden Fällen geht es um Loyalität, die Kontrahenten treffen sich auf dem Trümmerplatz ihrer früheren Weltbilder. Sowohl in Brosnans viertem als auch Craigs viertem Bondfilm wurde diese Dunkles-Spiegelbild-Thematik auf surreale Weise überstrapaziert. In D
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AY lässt der Schurke seine Gene nach dem Bilde Bonds neugestalten, in S
PECTRE ist er buchstäblich Bonds dunkler Bruder. Dass sich Bonds alte Nemesis als heimlicher Bruder entpuppt, übersetzt zumindest konsequent und endgültig die alten Vaterfiguren in die neuen Bruderfiguren. Und dürfte damit ebenfalls einen großen Themenkomplex final abrunden, den G
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YE begann.
Die Bondfilme mit Timothy Dalton zeigten einen Bond, der als Mensch glaubwürdiger und gefühlsechter war, ohne sich jedoch ernsthaft mit seiner Tätigkeit als lizenzierter Killer auseinander zu setzen. Erst das Ende des Kalten Krieges machte es möglich, die psychologischen Schattenseiten dieses Jobs zu thematisieren.
In gewisser Weise funktioniert G
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YE auch als Neustart des Franchise. Brosnans Bond war bis zu den Ereignissen aus der Vortitelsequenz offenbar nicht der einsame, erfahrene Wolf, den Timothy Dalton in T
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AYLIGHTS darstellt; der fast froh darüber wäre, sollte M ihn feuern. Im Drehbuch war ursprünglich auch eine Referenz an Tracy enthalten, die jedoch gestrichen wurde. Brosnans Bond verband eine Freundschaft mit einem gewissen Alec Trevelyan, von dem man in den Filmen bis 1989 nie etwas gehört hatte. Während der Verlust von echter Liebe Bond in C
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OYALE zu dem Mann macht, den man kennt, ist es im 'soft reboot' G
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YE dagegen der Verlust von echter Freundschaft. In beiden Fällen geht es darum, diesen Verlust zu verarbeiten und nicht zu jemanden zu werden, der in seinem Panzer völlig vereinsamt und seinen Schattenseiten freien Lauf lässt. (Interessanterweise ist Bond in G
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YE buchstäblich in einem Panzer unterwegs, während Vesper in C
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OYALE nur von seinem Panzer spricht.)
Mit der Thematisierung von Bonds dunkler Seite und seiner Tätigkeit, die seiner Seele dauerhaften Schaden zufügt, taucht in G
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YE auch das Thema der Liebe auf, das seine Seele retten könnte. Wenn Bond zu Ourumov sagt "Töten Sie sie, denn sie bedeutet mir nichts", kann man das nicht nur als Taktik für den Moment sehen, sondern auch für Bonds bisheriges Leben. Die 'übliche Vorgehensweise'. Erst als sie ihm wirklich mehr bedeutet, kann er seinen Schatten in Form von Alec buchstäblich loslassen, für sich und nicht für England. (Diese Szenen in G
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YEähneln interessanterweise der Schlussszene in S
PECTRE: Sowohl Natalya als auch Madeleine beobachten Bonds finale Entscheidung über das Leben seines Widersachers, und sind jeweils so zufrieden damit, dass sie mit ihm in eine gemeinsame Zukunft starten).
Während die nachfolgende Bondfilme mit Pierce Brosnan diese Thematik nicht weiter erforschten, konkretisierte sie Regisseur Martin Campbell in faszinierender Weise mit C
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OYALE. Sie durchzog die Craig-Filme, und mit S
PECTRE entscheidet sich Bond nun endgültig für die 'Erfahrung der Liebe', scheinbar ohne dass ihm das Schicksal diese Entscheidung schnell abnimmt. So schließt sich auch hier der mit G
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YE begonnene Kreis.
Letztlich zeigt sich, dass die Bondmacher mit der Ära Pierce Brosnan nicht alles falsch machten, was sie mit der Ära Craig dann richtig machten - so wie es viele Fans heutzutage leider sehen. Vielmehr haben beide ihre Berechtigung in ihrer Zeit. Die eine folgt logischerweise aus der anderen, und wäre ohne die andere so nicht möglich. Der Bond, den nicht interessiert, ob sein Wodka Martini geschüttelt oder gerührt ist, war die konsequente Antwort auf den Bond, der als steifärschiger Brite auf der geschüttelten Variante bestand. (Der wiederum die konsequente Antwort auf einen Bond war, dem langsam die Zuschauer davonliefen.)
Als ich im Dezember 1995 G
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YE endlich im Kino sah, war ich zugegebenermaßen etwas enttäuscht. Was aber aufgrund der extremen Vorfreude und Erwartung auch fast vorprogrammiert war.
Im Laufe der Jahre stieg G
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YE allerdings stetig in meiner Bewertung, und ich sehe ihn heute ausgesprochen gern - Ein moderner Klassiker, der Bond nicht nur erfolgreich in die Neunziger brachte, sondern auch fit für das neue Jahrtausend machte.